Gessner und Agricola über „Fossilien“. Ein Gastvortrag von PD Dr. Petra Schierl

Ein Beitrag von Sandra Hofert

Wir hatten die große Freude, im Rahmen der Plenumssitzung des GRKs am 11.01.2018 PD Dr. Petra Schierl mit ihrem Vortrag "Gessner und Agricola über 'Fossilien': Naturforschung zwischen Autopsie und Tradition" bei uns begrüßen zu können.*
Petra Schierl ist seit 2014 Privatdozentin an der Universität Basel und übernimmt derzeit die Vertretung von Univ.-Prof. Dr. Christine Walde am Lehrstuhl für Latinistik an der JGU Mainz. Neben anderen Forschungsschwerpunkten beschäftigt sie sich seit vielen Jahren intensiv mit Latein als Wissenschaftssprache der Frühen Neuzeit. So übersetzt sie zusammen mit einem Mitarbeiter des Naturhistorischen Museums Basel einen Traktat des Züricher Universalgelehrten Conrad Gessner (1516-1565) aus dem Jahre 1565.

Der lateinische Titel des Werkes lautet De rerum fossilium, lapidum et gemmarum maxime, figuris et similitudinibus (kurz: das "Fossilienbuch") und ist Teil des von Gessner selbst herausgegebenen Sammelbandes De omni rerum fossilium genere, welcher mehrere Schriften zur Fossilienkunde enthält. Dabei meint der Terminus "Fossilien" im Sinne der res fossiles nicht nur solche im heutigen Sinne, welche damals auch nicht als versteinerte Reste von Lebewesen angesehen wurden, sondern er umfasst alle aus der Erde ausgegrabenen Objekte wie Steine, Minerale und Erze.

 

Das "Fossilienbuch" von Conrad Gessner (Foto von Sandra Hofert).


Gessner setzt sich in seiner Schrift intensiv mit der 1546 in Basel erschienenen Schrift De natura fossilium von Georgius Agricola (1494-1555) auseinander, hebt sich von dieser aber besonders durch sein Bemühen um Anschaulichkeit ab, welches sich in detaillierten Beschreibungen niederschlägt, die mit zahlreichen Holzschnitten kombiniert werden. Jene Abbildungen stellen sowohl Objekte aus der Sammlung Gessners dar als auch solche von seinen Korrespondenzpartnern, und sie zeigen, dass Gessner die Natur nicht nur vermittelt über Texte erforscht hat, sondern seinen Ausführungen auch eine direkte Naturanschauung zugrunde liegt.

Unter den literarischen Vorlagen ist besonders der bedeutende Einfluss von Aristoteles und Plinius hervorzuheben, doch Gessner war ein umfangreich gebildeter und belesener Wissenschaftler, was u. a. auch bei einem Blick in die ebenfalls von ihm verfasste Bibliotheca universalis deutlich wird – einer umfangreichen Bibliographie, mit der er das Ziel verfolgt hat, in alphabetischer Ordnung alle Werke in lateinischer, griechischer und hebräischer Sprache bis zu seiner Zeit aufzulisten. So sind die genauen Quellenverhältnisse und Traditionsbezüge von Gessners Werk noch ein offenes Forschungsfeld, auf dem es noch viele Fragen zu klären gilt.

Das "Fossilienbuch" wurde, wie Gessner es selbst am Ende des 12. Kapitels formuliert, unvollständig veröffentlicht. Es sollte den Auftakt zur Erschließung eines neuen Wissensgebietes bilden und ruft die Leser ausdrücklich dazu auf, Anregungen und Kommentare anzubringen.

Die Gliederung der Objekte erfolgt nach dem Ansatz von figura und similitudo: Ausgehend von der äußeren Erscheinung werden die res fossiles nicht nur nach ihrem visuellen Eindruck, sondern auch nach ihrer Verortung im Ordo der Welt gegliedert. So finden sich beispielsweise die Glossopetrae, die Ähnlichkeiten zu Haifischzähnen haben und nach heutigem Wissensstand auch versteinerte Haifischzähne sind, im 14. Kapitel, welches jene Steine enthält, die Ähnlichkeiten zu Wasserlebewesen aufweisen.

Ein anderes Beispiel sind die Donnersteine (Cerauniae), also jene Steine, die angeblich bei Gewitter vom Himmel gefallen sind. Dieser Vorstellung folgend findet sich ihre Beschreibung im 3. Kapitel, in dem es um jene Steine geht, die nach Himmelserscheinungen benannt worden sind.
So gibt das Werk Gessners einen interessanten Aufschluss über das Denken seiner Zeit und wir bedanken uns für den spannenden Einblick in die Erschließung dieser Schrift.



Ein paar Randnotizen: Gessners Ausgabe der Naturalis Historia des Plinius (Foto von Sandra Hofert).

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*Hinweis: Ein gleichnamiger Aufsatz wird 2018 im Sammelband "Conrad Gessner und die Renaissance der Wissenschaften / Conrad Gessner and the Renaissance of Learning", herausgegeben von Urs B. Leu und Peter Opitz, bei De Gruyter erscheinen.

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