Vortrag: Dr. Maximilian Schich – "Wer hat Angst vor Scientismus – Ein Netzwerkansatz für Kulturgeschichte"

Ein Beitrag von Simone Gerhards.
 
Am 9. Juli 2015 besuchte Dr. Maximilian Schich von der University of Texas at Dallas das Graduiertenkolleg. Herr Schich hat Kunstgeschichte, Klassische Archäologie und Allgemeine Psychologie studiert und wurde in der Kunstgeschichte promoviert; mittlerweile arbeitet er als Associate Professor an der University of Texas at Dallas am Fachbereich "Art and Technology". Im Vorfeld seines Vortrags nahm er sich Zeit, um mit den Kollegiatinnen und Kollegiaten über ihre Dissertationsprojekte zu sprechen, hilfreiche Anmerkungen zu geben und viele neugierige Fragen über Visualisierungsmöglichkeiten und Netzwerktheorien zu beantworten. Da das Graduiertenkolleg einen Schwerpunkt auf Methodenvielfalt und deren Anwendung legt, haben nun auch die digital humanities und damit eine von vielen digitalen Methoden Einzug in das Spektrum des Graduiertenkollegs gehalten.


Neue Methoden in den Geisteswissenschaften

 
Thema des Vortrags war der Inhalt eines Artikels, den Herr Schich 2014 zusammen mit Kollegen im Science-Magazine veröffentlicht hat und der international für großes mediales Aufsehen gesorgt hat (Fn. 1).

Schich und Kollegen haben im Rahmen eines Forschungsprojekts die Geburts- und Sterbedaten von ca. 150.000 bekannten Menschen gesammelt und diese in einer aufwendigen, ca. drei Jahre dauernden Umwandlung in verschiedenen Schritten visualisiert. Die Informationen über die Personen stammen von Freebase.com, drei verschiedenen kunsthistorischen Lexika und der Getty Union List of Artist Names. Dabei interessierten Schich und seine Kollegen vor allem die Mobilitätsbewegungen der Personen zwischen ihrem Geburts- und Sterbeort. Die bekannte animierte Visualisierung der Daten ist aber "nur" das Endprodukt einer langen Kette von Auswertungen, die mit verschiedensten Methoden aus der Komplexitätsforschung oder beispielsweise biologischen Verfahren, die aus der Protein-Interaktion bekannt sind, entstanden sind. Ein Großteil der Erkenntnisse ist zwar für Historiker bereits wohlbekannt, doch dadurch zeigte sich, dass einerseits unkonventionelle Daten zum selben Ergebnis kommen und andererseits Gesetze wie z. B. die "Laws of Migration" an einem großen Datensatz verifiziert werden können.
 

Visualisierung als Erkenntniswerkzeug

 
Schich betonte, dass man bei der Umsetzung einer Visualisierung stets aufpassen muss, dass auch andere Forscher die visualisierten Daten verstehen können. Nur so kann eine Visualisierung als Erkenntniswerkzeug dienen, um mit anderen zu kommunizieren. Herr Schich wollte durch seinen Vortrag zeigen, dass auch innerhalb der historischen Forschung quantitative Auswertungen möglich seien. Auf diese Weise könnten z. B. neue Forschungsfragen aufgeworfen werden, die bisher aufgrund zu großer Datenmengen im Verborgenen blieben. Dadurch könnten historische Daten auch für fachfremde Forscher interessant sein und so Inter- und Multidisziplinarität gefördert werden.


Fußnote:
[1] Schich M., Song C., Ahn Y.Y., Mirsky A., Martino M., Barabási A.L., Helbing D., A network framework of cultural history, in: Science 345, 2014, 558-562.

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