26. Treffen des "Arbeitskreises Antike Naturwissenschaft und ihre Rezeption" (AKAN)

Ein Beitrag von Dominik Berrens.

Bereits zum 26. Mal trafen sich die Mitglieder des AKAN zu ihrer jährlichen Tagung in Mainz. Neben alten Bekannten fanden sich auch viele neue Gesichter sowohl im Kreis der Vortragenden als auch im gut besuchten Publikum ein. Thematisch wurde ein breiter Bogen von Vorträgen zur Medizin und Pharmazie über Zoologie und Botanik bis zur Mathematik gespannt. Wie üblich begann das Treffen mit einem gemeinsamen Abendessen am Freitag (12.06.2015), bei dem die Teilnehmer ungezwungen miteinander ins Gespräch kommen konnten.

Das Vormittagsprogramm

Die eigentliche Tagung am Samstag (13.07.2015) eröffnete die Althistorikerin Steffi Grundmann aus Wuppertal. In ihrem Vortrag stellte sie zunächst ihr Promotionsthema vor, das sich mit Haut und Haar in antiken Wissenskulturen beschäftigt. Anschließend erörterte sie speziell die unterschiedlichen Vorstellungen der Haut- und Haarphysiologie in verschiedenen Schriften des Corpus Hippocraticum.
 
Boris Dunsch von der Universität Marburg ging in seinem Vortrag dem Topos ἐκ βιβλίου κυβερνᾶν (ek biblíou kybernán) nach, der sich in einigen philosophischen, medizinischen und historiographischen Schriften findet. Der Ausdruck bezeichnet eine Person, die als Steuermann tätig sein will, ihre Kenntnisse aber nur aus Büchern bezogen hat. Gerade für die erfolgreiche Ausübung dieses Berufes ist aber eine praktische Vertrautheit mit seinem Gegenstand durch Autopsie und Empirie wichtig. Dieser topisch gewordene Ausdruck wird auch für andere Berufsgruppen, wie etwa Ärzte verwendet, deren Ausbildung nicht allein auf bloßem Buchwissen beruhen kann. Die Existenz dieses Topos vom Steuermann, der seine Kenntnisse nur aus Büchern gewonnen hat, deutet jedoch darauf hin, dass es tatsächlich Schriften zu dieser Thematik gegeben haben muss. Diese These wurde in der bisherigen Forschung stets bestritten, jedoch von Boris Dunsch bereits in einem Beitrag im gerade erschienen AKAN-Band (Fn. 1) revidiert.

Im letzten Vortrag vor der Mittagspause brachte der Mathematiker und Philosoph Gregor Schneider aus München dem Publikum "Die versteckte Exzellenz der Euklidischen Axiomatik" näher. Er zeigte, dass in den Elementen des griechischen Mathematikers Euklid, eines der ersten Mathematikbücher der Menschheit, zwar auf den ersten Blick viele undefinierte Ausdrücke vorhanden sind, diese aber doch aus späteren Aussagen abgeleitet werden können. Zudem wies er eine Abhängigkeit der euklidischen Mathematik von der platonischen Philosophie nach, weshalb sich bestimmte philosophische Begriffe in den mathematischen spiegeln.
 

Das Nachmittagsprogramm

Nach dem Mittagessen standen drei weitere Vorträge auf dem Programm, die sich im weitesten Sinne den Lebenswissenschaften zuordnen lassen.

Zunächst stellte Olga Chernyakhovskaya aus Bamberg ihre Untersuchungen zum sogenannten Ichneumon vor. Dieses Tier wird in verschiedenen Schriften als in Ägypten beheimatet beschrieben und meist mit dem Herpestes ichneumon L. identifiziert. Dessen Fähigkeit, Giftschlangen zu überwältigen, war bereits in der Antike berühmt. Daneben finden sich aber auch Berichte, wonach er sich zu seinem Schutz einen Schlammpanzer zulege oder sogar in der Lage sei, Krokodile zu töten. Diese Verhaltensweisen lassen sich in der Natur so nicht beobachten. Ausgehend von der Erwähnung des Ichneumon in den Theriaka des Nikander zeigte Olga Chernyakhovskaya mehrere mögliche Quellen für diese vermeintlichen Verhaltensweisen auf und untersuchte weitere Darstellungen des Ichneumon bei anderen Autoren.

Der vorletzte Beitrag wurde von Bernhard Herzhoff aus Trier gestaltet, den man sicherlich als einen der größten Spezialisten auf dem Gebiet der antiken Botanik bezeichnen kann. In seinem diesjährigen Vortrag ging er der Frage nach, wer der Verfasser eines Kompendiums der Philosophie des Aristoteles und Bearbeiter seiner Schrift über die Pflanzen sein könnte. Die aristotelische Schrift Περὶ Φυτῶν = De Plantis (Über die Pflanzen) ist zunächst nur in verschiedenen orientalischen (zunächst syrischen, dann arabischen) Übersetzungen erhalten und aus dem Arabischen im 12. Jhd. ins Lateinische übersetzt worden. Diese lateinische Übersetzung wurde anschließend wieder ins Griechische übertragen. Während die lateinischen und griechischen Ausgaben stets Aristoteles als Autor bezeichnen, nennen die zuverlässigeren orientalischen Übersetzungen einen gewissen Nikolaos als Bearbeiter des ursprünglich aristotelischen Textes sowie als Autor des oben genannten Kompendiums über die Philosophie. Welcher der verschiedenen aus dem fraglichen Zeitraum bekannten Männer dieses Namens gemeint ist, war Thema dieses lehrreichen Vortrages von Bernhard Herzhoff.

Beschlossen wurde der offizielle Teil der Tagung durch Maximilian Haars, der einige Ergebnisse seiner am Institut für die Geschichte der Pharmazie der Universität Marburg erstellten Diplomarbeit präsentierte. Er zeigte, wie Galen in seiner Pharmakologie versuchte, die Wirkungsweise verschiedener pflanzlicher Arzneimittel anhand der vier Elementarqualitäten (warm, kalt, flüssig, fest) zu erklären. Teilweise konnte Maximilian Haars tatsächlich bestimmte moderne chemische Stoffklassen (z. B. Alkaloide) identifizieren, welche die Ursache für die von Galen angenommenen Wirkungsweisen sein könnten.

Wie immer war neben den interessanten Vorträgen ausreichend Gelegenheit zur Diskussion und zu fachlichem Austausch gegeben. Die freundliche und ungezwungene Atmosphäre, die es gerade auch jungen Wissenschaftlern ermöglicht, ihre Ergebnisse zu präsentieren und sich mit anerkannten Spezialisten auszutauschen, macht den besonderen Reiz dieser Tagung aus.

Fußnote:
[1] Dunsch, Boris: Verschriftete κυβερνητικαὶ τέχναι. Ein übersehenes Zeugnis bei Philodem (rh. II, P.Herc. 1672, col. XXXIII, 27-33), in: Althoff, J.; Föllinger, S.; Wöhrle, G. (Hrsg.): Antike Naturwissenschaft und ihre Rezeption, Band XXV, Trier 2015, 93-113. 

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