Workshop "Writings of Early Scholars"
Bereits im Januar wurde in diesem Blog ein Beitrag zum 2. Treffen des internationalen Workshops "Writings of Early Scholars"
veröffentlicht.
Das dritte und letzte Treffen fand am 3. und 4. Oktober 2014 am
Forschungskolleg Humanwissenschaften in Bad Homburg v.d. Höhe statt. Zweck
dieses Treffens war die Präsentation und Diskussion der einzelnen Beiträge des
geplanten Methodenbuches zur emischen Übersetzung vormoderner wissenschaftlicher
Texte. Veranstaltet wurde der Workshop von Annette Warner (geb. Imhausen) und
Tanja Pommerening, die auch als Herausgeberinnen des geplanten Buches
fungieren. Dieses soll voraussichtlich
den Titel "Translating Writings of Early Scholars in the ancient Near East,
Egypt, Greece and Rome – Methodological Aspects with Examples" tragen. Die
Kapitel werden von internationalen Experten auf ihrem jeweiligen Gebieten
verfasst, wozu auch zwei Professoren aus
dem Trägerkreis des Graduiertenkollegs gehören. Die Übersetzung ägyptischer
heilkundlicher Texte wird von Frau Pommerening behandelt, das griechische
Pendant von Herrn Althoff. Als zusätzliche Diskutanten aus dem
Graduiertenkolleg nahmen Nadine Gräßler und Dominik Berrens an dem Workshop
teil.
Eine detaillierte Besprechung des Inhalts der einzelnen
Buchbeiträge und deren Diskussion verbietet sich an dieser Stelle, da das Buch
zu diesem Zeitpunkt noch nicht publiziert worden ist. Stattdessen soll reflektiert
werden, inwieweit sich die auf dem Workshop gewonnenen Erkenntnisse und die
dort entwickelten Methoden für das eigene Dissertationsprojekt fruchtbar machen
lassen.
Warum übersetzen?
Für einen Altphilologen, der zu einem naturkundlichen Thema arbeitet, stellt sich zunächst einmal die Frage, ob man überhaupt eine Übersetzung der zitierten Quellen anfertigen möchte. Während dies in den Philologien anderer alter Sprachen selbstverständlich ist, finden sich gerade in der deutschsprachigen Forschung viele gräzistische und latinistische Arbeiten ohne Übersetzung. Der Verzicht auf eine Übersetzung spart natürlich zum einen Zeit, zum anderen ist eine Übersetzung immer auch eine Interpretation. Durch die Übersetzung geht stets ein Teil der Information des Ausgangstextes verloren, weil etwa Satzstrukturen und Wortbedeutungen in den antiken Texten oft mehrdeutiger sind als dies in den modernen Sprachen der Fall ist. Auch bestimmte Sprachbilder, Metaphern und Wortspiele lassen sich oft nur schwer in der Übersetzung nachahmen. Die Übersetzung ist also meist spezifischer in ihrer Bedeutung als der Ausgangstext, weil sie Nebenbedeutungen, Anspielungen und Bedeutungsnuancen ausblendet.
Gerade dies kann aber auch zu einem Vorteil genutzt
werden. Indem man durch eine Übersetzung Rechenschaft darüber ablegt, wie man
eine bestimmte Quelle versteht, erleichtert man dem Rezipienten das
Nachvollziehen der Schlussfolgerungen und Interpretationen, die aus dem antiken
Text erwachsen. Gleichzeitig erfordert das Erstellen einer guten Übersetzung,
den Wortlaut der Quelle genau zu beachten und dabei die verschiedenen
Bedeutungsnuancen der Wörter, die syntaktische Einbettung von
Partizipialkonstruktionen usw. zu durchdenken. Diesen Entscheidungsprozess für
oder gegen eine bestimmte Übersetzung eines Ausdrucks sollte man für den Leser transparent
machen, z.B. in einer kurzen Anmerkung oder einem Kommentar. Auf diese Weise lässt
sich der gravierende Nachteil einer Übersetzung, der Verlust eines Teiles der
Information, zumindest ein wenig ausgleichen.
Nicht zuletzt ermöglicht man durch die Übersetzung der
Quellen seiner Arbeit eine größere Reichweite, da nicht mehr davon ausgegangen
werden kann, dass alle Wissenschaftler ausreichend Latein- bzw.
Griechischkenntnisse besitzen, um einen naturkundlichen Text zu verstehen. Zumal
diese Texte oftmals gerade in Bezug auf die Lexik weit über die Anforderungen
des Latinums bzw. Graecums hinausgehen. Ohne eine Übersetzung seiner Quellen zu
bieten, beschränkt man seinen Leserkreis daher hauptsächlich auf Altphilologen.
Ein interdisziplinäres Arbeiten mit Wissenschafts- und Medizinhistorikern,
Naturwissenschaftlern, Archäologen oder Philologen benachbarter Kulturen, wie
es vor allem für die Erforschung naturkundlicher Texte unerlässlich ist, wird
ohne Übersetzungen erheblich erschwert.
Wie übersetzen?
Hat man sich nun für eine Übersetzung seiner Quellen entschieden, stellt sich die Frage, wie man übersetzen sollte. Aus dem oben Gesagten ergibt sich, dass eine eigene Übersetzung einer übernommenen vorzuziehen ist. Denn in diesem Falle kann man sein eigenes Verständnis der Quelle für den Leser leichter nachvollziehbar machen. Beim Übersetzen sollte man daher in erster Linie an seinen intendierten Leserkreis denken. So kann eine sehr textnahe oder, wenn man so will, emische Übersetzung dem Leser einen guten Eindruck vermitteln, wie ein Text auf seine ursprünglichen Rezipienten wirkte. Allerdings kann eine solche Übersetzung einem fachfremden Publikum große Schwierigkeiten bereiten. Bestimmte Bilder und Vorstellungen, die einem Menschen, der mit griechischen und lateinischen Texten vertraut ist, nachvollziehbar erscheinen, können für andere unverständlich bleiben, weil die antike Vorstellung und Diktion der modernen zu fremd ist. In der Regel bedarf eine textnahe oder emische Übersetzung vieler Erläuterungen, wenn sie für ein fachfremdes Publikum nutzbar gemacht werden soll, was aber nicht in jedem Falle praktikabel ist. Nicht zuletzt büßen auch sehr textnahe Übersetzungen meist etwas von der Ästhetik ein, die den ursprünglichen Texten zu eigen ist. Elegante griechische oder lateinische Konstruktionen klingen – bei allzu wörtlicher Übertragung – in modernen Sprachen oft nicht besonders schön. Unter Umständen kann also eine etwas freiere Übersetzung sinnvoller sein. Naturkundliches Wissen wurde in der Klassischen Antike nicht selten auch in poetischer Form, etwa in Lehrgedichten, weitergegeben. Hier gilt es ebenfalls abzuwägen, ob man einen Eindruck von der Ästhetik des Textes oder aber des Inhalts geben möchte. Beides zugleich ist wohl meist kaum zu erreichen, sodass man in ersterem Falle an eine metrische Übersetzung denken könnte, in letzterem an eine Übersetzung in Prosa. Man sollte die Gestaltung der Übersetzung also von Aussageabsicht und intendiertem Publikum abhängig machen.
Man sollte diesen Text nicht als Leitfaden für ein gutes Übersetzen,
sondern als einen subjektiven Beitrag zu einer Diskussion über dieses Thema
verstehen, die in diesem Blog weitergeführt werden kann.
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