Forschungsreise zu Naturheiligtümern
Ein Beitrag von Florian Schimpf.
Abseits der Wege. Diese drei Worte beschreiben sehr
treffend die Lage und Erreichbarkeit von Naturheiligtümern und die sich immer
wieder offenbarenden Unwegsamkeiten im Zuge ihrer Besichtigung. Zwar fanden
sich auf der Liste der besuchenswerten Stätten klangvolle Namen wie Ephesos,
Pergamon, Knidos oder Samos, doch liegen die Fels-, Höhlen- und
Grottenheiligtümer in der Regel abseits der bequemen Touristenpfade.
Der Name "Naturheiligtum"
scheint dies bereits nahezulegen. Der Wortbestandteil "Natur-" evoziert
intuitiv eine Lage abseits der Wohnstadt. Doch dieser Schluss mag bisweilen
trügen. Zwar stimmt es, dass als Naturheiligtümer anzusprechende Orte in der
Regel im Naturraum zu finden sind, doch muss das nicht zwingend bedeuten, dass diese
außerhalb der Stadt liegen. Im Gegenteil: Gerade die Felsheiligtümer
Ostgriechenlands, die in ihrer Art auf altanatolische Vorbilder zurückgeführt
werden können, befinden sich in bemerkenswerter Anzahl nahe der Stadtmauer am
Rande der Wohnstadt.
Dies ist einerseits bemerkenswert, da ihre Vorläufer in der
Regel außerstädtische Anlagen waren, andererseits jedoch einleuchtend, da mit
dem Bau der Stadtmauer und dem strategischen Miteinbezug stadtnaher Hügel in
deren Verlauf nicht selten innerstädtische Naturräume entstanden, die sich ob
ihrer zerklüfteten und mit zahlreichen Felsen bedachten Steilhänge nicht für
eine großflächige Bebauung anboten. Dass dies nicht ausnahmslos gilt und man
sich sehr wohl einen schroffen Steilhang zu eigen machen konnte, belegen indes
die jüngsten Untersuchungen am Stadtberg Pergamons (F. Pirson, "Pergamon,
Bericht über die Arbeiten der Kampagne 2010", Archäologischer Anzeiger 2011/2, 81-212, bes. 86-120, 129-132). Meist behielten diese, durch den Mauerbau
geschaffenen Randzonen ihren unwirtlichen Charakter bei und bildeten somit den
idealen Boden für das Phänomen intra urbaner Naturheiligtümer: Auf dem Panayιr Dağ bei Ephesos befinden sich natürliche
Terrassen mit Felsnischen für Apollon, Zeus und Kybele-Meter (Abb. 1), auf
einer der oberen Terrassen im Osten von Knidos Nischen und ein Heiligtum der
Demeter, auf dem sog. Windmühlen- und Goldhöhlenhügel in Phokaia unzählige
Nischen für Kybele (Abb. 2), an den Abhängen des pergamenischen Stadtberges, am
Fuße der Akropolis von Priene, an den Steilabhängen der Akropolis sowie an
mehreren stadtmauernahen Felsen in Erythrai Felsheiligtümer ohne einen
zweifelsfrei benennbaren Kultinhaber – um nur einige Beispiele zu nennen.
Da auch artifizielle Naturheiligtümer, sprich von
Menschenhand geschaffene Grotten oder in vergleichbarer Weise imitierte Naturkulissen in einer Arbeit über
Naturheiligtümern nicht unbedacht und unerwähnt bleiben können und während der Forschungsreise
Anlaufpunkte darstellten, bleibt am Ende noch auf eine eindrückliche
Naturimitation hinzuweisen: die einzigartige und didaktisch wertvolle Aufstellung
der Kybele-Votivreliefs in den Nischen einer künstlichen Felswand im Museum zu
Pythagorio auf Samos.
Abb. 2: Das sog. Hafenheiligtum in Phokaia (Foto: Florian Schimpf).
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Der Bericht entstand im Anschluss einer Forschungsreise an
der türkischen Westküste und auf Samos, die Florian Schimpf vom 1. bis 14.
September 2014 im Rahmen seines Dissertationsprojektes mit finanzieller
Unterstützung des Graduiertenkollegs 1876 durchführte.
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